Von Schmerzen, Stärke und Gesundheit

Wieder mal ist ein erfolgreiches Wochenende zu Ende, wieder ein Ultra hinter uns und wieder einmal haben wir viele Lehren mit nach Hause nehmen können. Diesmal geht es um Schmerzen, Stärke und allen voran die Gesundheit. Was aber hat das alles mit einem Ultralauf zu tun? Ganz viel und alles!
Es ist krass, wie unterschiedlich die Welten sind und noch viel krasser, dass sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Vergleicht man hochkarätige Trailrunning-Events mit OCR-Events so klafft da eine extrem große Lücke. Fehleinschätzung, vor allem Überschätzung, kein entsprechendes Training und eine Ladung Wissen das gegen Null geht. Ehrlich, da rennen Leute Ultras, die in ihrem Leben noch keine 20 km am Stück gerannt sind. Da rennen Leute Ultras, die sich mit Schmerzmitteln vollpumpen, weil sie vor Schmerzen einfach nicht mehr laufen könnten. Das ist Ultra-OCR wie wir es zumindest in Deutschland erlebt haben.
Schaut man sich dagegen die Trailrunning-Events auf Ultra-Distanz an, so sieht man Menschen, die wissen, auf was sie sich da einlassen. Da geht keiner an den Start, der sich die 100 km nicht zutraut, da geht keiner an den Start der sich mit irgendwas vollpumpt, nur dass er über die Runden kommt. Zumindest, haben wir keinen solchen Menschen getroffen und ja, wir haben einige getroffen und kennengelernt.
Wir wollen hier aber auch eigentlich keine Debatte entfachen und auch gar nicht zu stark kritisieren *hust*, sondern nur ein paar unheimlich wichtige Themen ansprechen: Schmerzen, Stärke und Gesundheit im Rahmen von Ultra-Läufen, völlig unabhängig davon ob Trail, „stinknormal“ oder OCR.
**Schmerzen: No pain no gain**
Wer kennt diesen Spruch nicht. Schon tausendmal gehört und irgendwann hängt er zum Hals raus. Aber dennoch, die Quintessenz ist und bleibt wahr, ohne Schmerz kein Erfolg. Die Frage ist nur welche Art von Schmerz, welche Intensität und vor allem wie viel darf bzw. sollte ich dulden?
Wer sich wirklich richtig vorbereitet, der hat in der Regel schon ausgesorgt. Dann war das Training per Definition sicher schmerzhaft, indem man immer wieder an seine Grenzen gekommen ist oder indem man sich auch mal die ein oder andere Verletzung zugezogen hat. Man hat sich davon aber nicht unterkriegen lassen und weiter an seinem Ziel festgehalten.
Steht dann der Tag des Ultras an, hat sich richtig vorbereitet und ist fit, so ist da in der Regel nicht viel mit Schmerzen bis hin zu gar nichts. Wer Schmerzen hat, der hat sich entweder nicht richtig vorbereitet, ist während des Rennens blöd aufgekommen oder die Bedingungen haben einem einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Dennoch, für viele Erstlinge sind Schmerzen fester Bestandteil eines Ultras und daher auch ein wirklich wichtiges Thema. Schmerz ist erst einmal relativ, denn dein Kopf macht ihn stärker oder schwächer. Du kannst deinen Schmerz also sehr gut über deinen Kopf steuern und solltest dies auch tun, solange deine Gesundheit dadurch nicht gefährdet wird! Wird der Schmerz allerdings zu stark und du kannst kaum noch laufen, dann kannst du dir sicher sein, dass der Schmerz noch viel mehr kaputt machen wird. Hier gibt es allerdings kein Geheimrezept und jeder muss jeder für sich selbst herausfinden, was die eigene Grenze hergibt. Schmerz der die Gesundheit beeinträchtigt = Abbrechen. Insbesondere für all diejenigen die langfristig einen Sport betreiben möchten.
**Stärke**
Heißt für uns auch unter schmerzlichen Bedingungen, die nicht gesundheitsschädigend sind, und ohne Aufputschmittel weiterzumachen. Ja, weder Schmerzmittel noch sonst irgendwelche Mittel, um eine Leistung abzurufen, zu der der Körper eigentlich nicht mehr in der Lage ist. Am Tag danach und wahrscheinlich auch noch Wochen danach wirst du sonst durch die Hölle gehen und deinen ganzen Trainingsfortschritt in die Tonne klopfen.
Stärke bedeutet, weiterzumachen, auch wenn es ungemütlich wird. Sich dem ungemütlichen zu stellen, auch wenn es alles andere als leicht ist. Wahre Stärke bedeutet, weiterzumachen, wenn du denkst du kannst nicht mehr und vor allem weiterzumachen, wenn es schmerzt.
**Gesundheit als Priorität**
Ja, Nummer 1 Faktor bleibt die Gesundheit. Nichts geht vor, nur die Gesundheit, so einfach ist das. Ganz besonders bei Profisportlern lässt sich das immer wieder sehr gut erkennen. Sie brechen Rennen ab oder treten erst gar nicht an, wenn es die Gesundheit nicht zulässt und das trotz monatelanger harter Vorbereitung, trotz erwartungsvoller Sponsoren und trotz der großen Karriere. Das Risiko im Vergleich zum Benefit ist einfach viel zu groß. Heißt: Würdest du in das Rennen gehen, bei dem du keine 100% Leistung, vielleicht noch nichtmal 60% abrufen kannst, mit der Chance auf einen mehrmonatigen Ausfall? Sehr wahrscheinlich nicht.
Und leider sieht man das auf manchen Veranstaltungen viel zu oft. Menschen die unter erheblichen Schmerzen leiden, Menschen die kaum noch laufen können, Menschen sich diesen Schmerzen durch Schmerzmittel kurzzeitig entwenden, nur um später im Ziel anzukommen und dann wochenlang noch mit Schmerzen vor sich hin zu vegetieren.
SCHLUSSWORT
Für uns ist das kein Weg und vor allem kein Weg der auf langfristigen Erfolg ausgerichtet ist. Für uns gibt es nur einen Weg und der heißt, kontinuierliches sich steigerndes Training, um für derartige Herausforderungen gewachsen zu sein. Nicht dem Ego-Willen, nicht um irgendwem was zu beweisen, sondern weil man Bock drauf hat und sich seiner Sache SICHER ist.
Gesundheit first!

Von Grenzerfahrungen und schweren Beinen

Es sind nun schon zwei Wochen vergangen und ich weiß echt noch immer nicht recht, wie ich mich richtig ausdrücken kann. Wie ich das Erlebnis am besten verarbeite, beschreibe, geschweige denn einordne. Meine Rede ist vom Zugspitz Ultratrail in Grainau der vom 15-17.06 stattgefunden hat. 
Vorab, es war nicht mein erster Ultratrail, dafür war es allerdings mein allererster 100ter. Während des Laufs dachte ich, dass es auch der letzte gewesen sein würde, aber irgendwie hat mich dieser Lauf unheimlich geprägt, ja was soll ich sagen, ich habe Blut geleckt. 
Aber erstmal zurück in den September 2017, zum Pfalztrail. Dort hab ich mich meinem ersten Ultra gestellt und hatte ganz schön zu kämpfen. Ab und an dachte ich dann auch ganz klassisch, fuck einfach off. Ich hatte ziemlich Probleme mit Schmerzen an den Füßen, auch obwohl ich keinerlei Blasen hatte und es wollte, natürlich!, einfach nicht besser werden. Anyway, nach 84 km und knapp unter 10 Stunden bin ich durchs Ziel gelaufen und hatte das erste Mal Glück in einer völlig neuen Dimension erlebt. Taktisch klug hab ich im Anschluss erst einmal keine Kohlenhydrate gegessen, bin direkt ins Auto und heimgefahren. Alles in allem eine geile Zeit! 
Trotz der Strapazen und Schmerzen wollte ich irgendwie doch mehr und hab mich bereits kurz darauf für den Zugspitz Ultratrail angemeldet. Den Berichten zufolge eines der härtesten Rennen, wenn nicht sogar das Härteste Deutschlands. Also den roten Button gedrückt und angemeldet. Wird schon schiefgehen.
Auf zur Vorbereitung. Wie, Vorbereitubg? Ganz ehrlich, ich hab mir das alles ein wenig anders vorgestellt, aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben. Aus den Vorbereitungen wurden also nicht viel, da ich fast allem meine Zeit in GNTC und den Aufbau des Gelände gesteckt hab. Abends hatte ich dann meist einfach keine Energie mehr, oder waren es Ausreden? Who knows? 
Glücklicherweise und auch eher durch Zufall hat mein Bruder Brian dann doch noch in der selben Woche wie ich Urlaub bekommen und so haben wir uns für einen etwas extremeren Wanderurlaub entschlossen. So kurz vorm Ultratrail auch einfach noch das perfekte Training. Ja und so haben wir in 5 Tagen 5 Berge geballert, alle um die 2000 hm oder mehr. Das war hart, geil und teilweise mit echt krassem Adrenalinüberschuss verbunden. Urlaub war das definitiv doch eher weniger 😀
Also doch ein bisschen Vorbereitung, auch nicht schlecht. Sodele, die letzte Woche war angebrochen  und Donnerstag stand noch der B2Run in Karlsruhe an. Alla hopp, nehmen wa noch mit. 36 km mit dem Rad nach Karlsruhe geradelt, 6,1 km in 24 min gelaufen und wieder 36 km zurück. Gute Idee zwei Tage vor der Zugspitz? Eher weniger, aber das musste einfach sein.
Freitag dann Abfahrt. Irgendwie leicht angeschlagen von Donnerstag, aber die Hoffnung stirbt niemals. Stau für Stau, ein gutes Zeichen! Bei der Ankunft dann aber alles gut, zu spät zur Massage, keine Gels mehr und ja, hundemüde. Das wird schon, sagt man doch immer so schön. 
Und dann. Judith zaubert ein wundervolles Abendessen, wir lassen den Abend entspannt ausklingen und irgendwie packt mich ganz spontan die Laune. Ja ich krieg richtig Bock auf das Rennen und bin mir dann doch sicher, das Ding ist zu schaffen. 
5:30 Uhr, Pieeeep! Augenringe bis zum Boden und ein halber Herzinfarkt später, wieder Beruhigt. War nur der Wecker und ein Traum, ich muss also nicht nur in Unterhosen laufen, Glück gehabt. Fortan ging auch alles relativ schnell. Anziehen, frühstücken, Equipment noch mal gegenchecken und dann noch 2 km ins Dorf zum Start laufen. 
Da erreichst du dann den Startbereich und es stehen einfach nochmal 550 Bekloppte mit der selben Idee da. Einfach ein geiles Gefühl 💪
7:15 Uhr, letz Fetz! Ich bin selbst etwas überrascht, das ich inzwischen richtig Bock auf das Ding habe. Dennoch und das muss hier auch angemerkt werden, immer noch mit einem riesen Haufen Respekt vor der Challenge und für jeden der sich an dieses krasse Unterfangen wagt. 
Ich wende an, was mir Chris noch kurz vorher gesagt hat und was ich auch aus meinen letzten Erfahrungen mitnehmen konnte. Easy starten, nichts überstürzen und erst einmal genießen. Ich muss gestehen, ich merke immer noch den Muskelkater in den Beinen, insbesondere in den Oberschenkeln, aber das wird schon, sag ich mir. 
Die ersten 20 km sind ganz ok, auch wenn mir meine Beine fast schon ein wenig Angst machen und immer wieder Zweifel aufkommen, ob ich das überhaupt packen kann. Ab km 20 dann irgendwie alles vergessen und die Beine haben sich eingewöhnt, ja sie laufen schon fast von alleine. Nun kann ich die Landschaft, das Setting und die Menschen um mich in mich aufsaugen und genießen. 
Ich schlängle mich zwischen Kühen durch, sehe und fühle fließendes Wasser eiskaltes Wasser, spüre die Steine unter meinen Füßen und genau in diesem Moment, lebe ich einfach. Mir wird aber vor allem zum ersten Mal klar, was ich in den letzten Monaten und nach nun schon fast 1 1/2 Jahren alles aufgebaut habe. Das erste Mal in meinem Leben hab ich einfach gemacht, statt noch ewig darüber nachzudenken. Ich habe Generation Athletic ins Leben gerufen und bereue es um keinen einzigen Tag. 
Zurück zum Lauf. Die Kulisse und all das drumherum lassen immer mehr Erinnerungen, Erkenntnisse und Gefühle in mir aufkommen. Ich fühle mich gut, gelassen und genau an dem richtigen Ort. Auch wenn die Anstiege teilweise beinhart sind, man auch mal über eine 20 m lange Schicht aus Schnee schlittern muss und beim Downhill sich manchmal fast die Haxen bricht, so hab ich eine unheimlich gute Zeit. Vor allem freue ich mich jedes Mal den gerade erst bestiegenen Berg wieder runterzuballern. Man ist das ein Heidenspaß.
Bis km 60 geht es so weiter. Ich bin voll in meinem Element, obwohl ich ja eigentlich gar kein Trail Runner bin oder mich zumindest nicht als einen solchen definieren würde. Ganze 40 km purer Genuss, Spaß und viel Freude. Auch lerne ich während dieser 40 km tolle Menschen kennen, unterhalte mich gut und sehe viele davon hin und wieder erneut.
Ab 60 machten sich dann durchaus die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar und die Bewusstheit, „Hey, das sind ja aber noch beinharte 40 km“ machte sich in meinem Kopf breit. Drei deftige Anstiege standen auf diesen 40 km noch an und Andreas (LRC) hat mir ein paar unheimlich nützliche Tipps gegeben bzw. mich erst einmal auf diese Anstiege aufmerksam gemacht. Nicht ballern, Gang runterschalten. Und so hab ich das auch gemacht. 
Zu diesem Zeitpunkt ging es natürlich immer mehr auf den Abend zu und damit die Phase vor der ich von vornherein am größten Respekt hatte. Nicht weil ich mich vor der Dunkelheit fürchte, nein, weil es lange und teilweise sehr einsame Stunden werden würden. 
Die drei Anstiege wurden mir nicht als zu weich angepriesen und einer nach dem anderen, haben sie mir die Energie geraubt. Der letzte an den ich mich besonders lange erinnern werde, hat mich wirklich all meine Energie gekostet. Ich hätte mich auf dem Weg nach oben am liebsten hingesetzt und vor Erschöpfung übergeben. Dann aber doch oben angekommen, aber eigentlich doch nicht. Wieder bergauf, wieder Ebene, wieder bergauf, jetzt isset aber fertig? und siehe da, wieder bergauf. Da denkst du jedes Mal, jetzt geht es bestimmt runter und läufst um die Ecke, und ja, es geht einfach immer wieder hoch. Dann noch die Temperaturen da oben und du schweißnass, stinkend und mit Augenringen größer als der Mond. Halelulja. 
Viel schlimmer an diesem Punkt war allerdings, dass ich den netten Herren bei der Verpflegungsstelle falsch verstanden hatte. Ich hatte 6 km verstanden und mich schon auf das Ende gefreut, dabei waren es noch stolze 16 km, der Schwerhörigkeit sei Dank. Im Endeffekt vielleicht aber auch gar nicht so verkehrt gewesen, wer weiß.
Schlussendlich bin ich dann irgendwann da oben angekommen und habe tatsächlich wieder Grainau gesehen. Leuchtend, schlafend und völlig entspannt. Von hier an ging es nur noch bergab… Stundenlang bergab war an dieser Stelle leider kein Spaß mehr, denn trotz Stirnlampe konnte man hier nicht einfach mal so runterballern. Das hat sich gezogen, unfassbar. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn mir jemand von erzählt hätte.
Hier muss ich noch zwischenrein schmeißen, dass ich die Nacht mag, auch wenn sie mir in der Regel den morgen raubt. Diese Nacht war aber ganz besonders, denn überall wo ich hingeschaut habe, haben die Lichter der Stirnlampen gewankt. Als ich ziemlich weit unten war und nach oben geschaut habe, konnte man praktisch den gesamten Weg, den man soeben zurückgelegt hatte, nachverfolgen. Überall Licht, überall Menschen kurz vorm Ziel.
Also ich ziemlich weit unten war, wurde es dann auch allmählich hell, die Vögel begannen zu zwitschern, die Welt wurde wieder zum Leben erweckt. Mit ihr auch wieder die Motivation noch einmal alles zu geben und mit einem Big Bang ins Ziel einzurennen. Ja und so bin ich die letzten 2 km so schnell gerannt ich konnte, einfach weil ich noch einmal richtig Bock drauf hatte. 
Da, das Ziel. Ja, auf einmal und nach 22:53:30 Stunden war es dann einfach da. Der Moment ist einfach irgendwie so surreal, du kannst es gar nicht richtig fassen. Du willst, aber es geht nicht. Ja und nun nach 2 Wochen, versuche ich den Moment immer noch zu fassen. Wird wohl noch ein wenig dauern.
Euer KeKo